Stellungnahme Heinrich Loriz
Leserbrief zum Thema Planung von Windvorranggebieten
Die im Rat der Stadt Salzkotten vertretenen Fraktionen haben in einer gemeinschaftlichen Resolution den Bundes- und/oder Landesgesetzgeber aufgefordert, den Kommunen klare Vorgaben für die Planung von Windvorranggebieten zu machen.
Der Rat einer Stadt schreit nach Bevormundung und kann mit der ihm gewährten Freiheit der Planungshoheit und Gestaltungsfreiheit nichts anfangen, kann den ihm ausdrücklich gewährten Freiraum der eigenverantwortlichen planerischen Steuerung nicht ausfüllen.
Das Problem sind aber nicht die von den Fraktionen vermissten gesetzgeberischen Vorgaben, sondern die Angst der Kommunen vor der gerichtlichen Überprüfung ihrer Planungen und die in der Tat weitreichenden Folgen, wenn das Gericht die Planungen verwirft, wie es z.B. schon seit Jahren in Büren der Fall ist. Auslöser der aufgebrachten Diskussionen in vielen Kommunen ist das Urteil des OVG Münster vom 1.7.2013 – 2 D 46/12.NE -, in dem die 77. Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt Büren als unwirksam verworfen wurde, mit der die Stadt Büren nach jahrelangen planerischen Bemühungen und mehreren vorangegangenen Niederlagen bei den Verwaltungsgerichten die Windkraftstandorte endlich aus eigener Verantwortung und Kraft neu ordnen wollte. In diesem Urteil hat das OVG Münster erneut die Standortplanungen der Stadt Büren für rechtswidrig erklärt unter Berufung auf eine im Kern Jahrzehnte alte, bekannte Rechtsprechung. Die Kritik an dem Urteil ist m.E. unberechtigt, weil es in sich folgerichtig argumentiert und nur die bisherige Rechtsprechung fortsetzt. Die Frage, was harte und was weiche Tabuzonen sind, ist klar beantwortet. Es reicht aber nicht, Planungsleitsätze wie Sprechblasen mit der Inhaltslosigkeit einer tibetanischen Gebetsmühle aneinander zu reihen – so lesen sich oft, auch in Büren, die der Beschlussfassung in den Gremien zu Grunde liegenden Texte – , ohne sie mit konkreten Verantwortungsinhalten zu füllen. Das hat das OVG zu Recht gerügt.
Die Kommunen sind auch nur deshalb so aufgebracht, als dass der Ortsgesetzgeber Salzkotten in einer Resolution den Landes- und Bundesgesetzgeber auffordert, ihn in seiner ortsgesetzgeberischen Freiheit zu beschneiden, weil (nur) zum Thema Windkraft sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit gnadenloser sachlicher Logik gegen die Verwaltung oder den Staat durchsetzt. Das mögen die Verwaltungen, aber auch die Politiker gar nicht, die die Verwaltung als ihr Hilfsorgan verstehen oder sich selbst als Repräsentanten. Es geht in Wirklichkeit um die Unberechenbarkeit und fehlende Steuerbarkeit der Rechtsprechung, die den Staat im weitesten Sinne umtreibt. Dabei hatten sich die Verwaltungen in den vergangenen ca. 30 Jahren daran gewöhnt, dass sich die eigentlich dem Rechtsschutz des Bürgers verpflichteten Verwaltungsgerichte zu mehr als 90 % aller Fälle auf die Seite der Verwaltung schlugen und damit zu einer Behördenschutzeinrichtung mutierten. Verwaltungen und Kommunalpolitik hatten sich daran gewöhnt, dass sie sich auf ihre Verwaltungsgerichte verlassen können. Wenn es dem Interesse der Verwaltung dient, wird die Schule schon mal zum grundrechtsfreien Raum erklärt, die Ermessensbetätigung der Verwaltung als Voraussetzung einer rechtmäßigen Ermessensentscheidung unterstellt, wenn sie ansonsten nicht erkennbar ist u.s.w.. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zeichnet sich dadurch aus, dass sie für jedes beliebige Ergebnis ein und desselben Sachverhalts Rechtfertigungsmuster vorhält. 5 Häuser können für einen Ortsteil i.S.d. § 34 BauGB schon ausreichen, 15 können aber noch zu wenig sein; für die Annahme einer bauplanungsrechtlichen Privilegierung eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes kann die mit einem stattlichen Gewinn endende Bilanz maßgeblich sein oder auch genau das Gegenteil; ein Altenteilerhaus kann 130 m von den anderen Hofesgebäuden entfernt zu weit weg stehen, es kann aber auch sein, dass unter 300 m auf gar keinen Fall zu weit ist. Diese dogmatische Willkür ist für die Kommunen solange hinnehmbar, wie sie regelmäßig (mit mehr als 90 %) zu ihrem Vorteil ausgeht. Das ist aber merkwürdigerweise bei der Windkraft nicht so. Da gehen die Verwaltungsgerichte mit den Kommunen so „in´s Gericht“, wie es die fachliche Logik gebietet. Es würde den Rahmen eines Leserbriefes sprengen, wäre aber lohnenswert und sogar notwendig, dem weiter nachzugehen.
Praktisch wirkt sich das wie folgt aus: Die Kommunen haben das Recht und dann auch die Verantwortung, festzulegen, wo in der Kommune Windkraftanlagen gebaut werden dürfen und – vor allem – wo nicht. Angesichts nach wie vor weit verbreiteter Vorbehalte gegen Windkraftanlagen einerseits und andererseits erheblicher wirtschaftlichen Interessen am Bau und Betrieb der Anlagen tun sich Verwaltungsbeamte und Ratsmitglieder schwer, ihre Entscheidung für oder gegen einen Standort zu rechtfertigen. Schön wäre es, wenn man sich – je nach Opportunität – auf den Landes- oder Bundesgesetzgeber und die Notwendigkeiten der Energiewende berufen könnte oder die Gerichte, die den Anlieger übermäßig schützen. So könnte man sich leicht rechtfertigen, man hätte ja gern, könnte aber leider nicht oder auch das Gegenteil. Beides funktioniert nicht, weil der Landes- und Bundesgesetzgeber gar nicht selbst regeln will, sondern es dem Ortsgesetzgeber-Kollegen überlässt und die Verwaltungsgerichte in Verfahren, in denen Anlieger gegen die Genehmigungen für Windkraftanlagen klagen, nicht so aufhebungsfreudig sind (siehe 90 %).
Es ist verständlich, dass der Rat der Stadt Salzkotten in seiner Resolution eine gewisse Hilflosigkeit bekundet und nach Unterstützung „des Gesetzgebers“ in einer von ihm als schwierig empfundenen Lage ruft. Gerade die Kommunalparlamente sollten sich aber auch darüber im Klaren sein, dass sie ehrenamtlich die Kommune verwalten. Da sind in erster Linie verantwortungsvolle Entscheidungen gefragt und nicht so sehr die den Vorbildern in der Bundespolitik abgeschauten Argumentationsmethoden der opportunistischen Unverbindlichkeit und fachlichen Ferne.
Heinrich Loriz
Stembergring 25
33106 Paderborn
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