Die Legende Hubertus und dem kreuztragenden
Hirsch ist aus der Dichtung und der bildenden Kunst bekannt. Gemäß der
überlieferten Legende wurde Hubertus um 655 als Sohn eines Edelmannes
geboren und starb im Jahre 728. Anfangs führte er ein
vergnügungssüchtiges Leben und war ein leidenschaftlicher
Jäger. Als er eines Tages bei der Jagd einen Hirsch aufgespürt hatte
und ihn verfolgte, um ihn zu töten, stellte sich dieser ihm plötzlich
entgegen. Zwischen seinem Geweih erstrahlte ein Kreuz, und in der Gestalt
des Hirsches sprach Christus zu ihm: »Hubertus, warum jagst du mich?«
Hubertus stieg vom Pferd und kniete vor dem Hirsch nieder. Von diesem
Moment an beendete Hubertus das Jagen und führte fortan ein einfaches
Leben.
Soweit die Legende. Nach seinem Erlebnis mit
dem Hirsch hörte Hubertus also mit der Jagd auf und wurde ein ernster
Christ. Denn wahres Christentum und Jagd passen einfach nicht zusammen. Bei
seiner Begegnung mit dem Hirsch wurde er nämlich vor die Wahl gestellt,
entweder tötet er das Tier - dann tötet er auch Christus - oder er tut
dieses nicht und bekennt sich zu Christus. Oder mit den Worten aus Matthäus
25,40 gesprochen: »Was ihr einem
meiner geringsten Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan«.
Es steht auch nirgends geschrieben, dass
Jesus Christus, den beide Konfessionen als Sohn Gottes verehren, jemals
Tiere gejagt hat. Das wäre auch sehr widersinnig, denn Gottes 5. Gebot
lautet »Du sollst nicht töten«. Jede Jagd ist aber mit dem Töten verbunden.
Trotz alledem finden aber alljährlich am 3.
November, dem Hubertustag, die so genannten Hubertusjagden sowie
Hubertusmessen in Kirchen statt. Anstatt den heiligen Hubertus zum
Schutzpatron der Tiere zu machen, ernannte die Kirche ihn zum Patron der
Jäger.
Alle Jäger sollten sich aber den heiligen
Hubertus zum Vorbild nehmen und aufhören zu jagen.
Der Sinn der Hubertusiegende ist doch wohl
dieser, dass der Mensch in Einklang und Frieden mit der Natur und den Tieren
leben soll. Er soll nicht der Jäger, sondern der Beschützer und der
Freund der Tiere sein. Wie heißt es doch so schön bei Markus 16,15: »Gehet
hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.«
Hiermit ist sicherlich nicht das Jagen gemeint.
Unheilige Allianz von Kirche und Jagd
Kirche und Jagd - das war schon immer
eine unheilige Allianz. Bis heute halten sowohl katholische, als auch
evangelische Kirchen alljährlich Hubertusmessen ab und segnen die
Waidmänner, ihre Waffen und die »Strecke« der getöteten Tiere. Und dies,
obwohl der heilige Hubertus der Legende nach der Jagd entsagte, als er im
Geweih eines Hirsches ein strahlendes Kreuz erblickte und die Stimme von
Christus hörte: »Hubertus, warum jagst du mich?« Wann folgen Jäger und
Pfarrer Hubertus nach?
Bei der Hubertusmesse in Stuttgart am
9.11.2002 wurde eine friedliche Tierschützerin vor der evangelischen
Leonhards-Kirche von einem Jäger verprügelt - vor den Augen der Polizei.
Kirche und Tiere - ein ebenso unseliges
Kapitel. Dass die Tiere in unserer Gesellschaft millionenfach so
unsagbar leiden müssen, ist nicht zuletzt auf die gefühllose Haltung der
beiden großen Kirchen gegenüber den Tieren zurückzuführen.
Jahrhundertelang und bis heute sprechen beide Kirchen den Tieren die Seele
ab - und auch die Gefühle. Selbst Tierschützer
innerhalb der Kirchen »werden von Kirchenkreisen häufig als überspannte,
neurotische Spinner abgetan«, schreibt der Theologe und Tierschützer Guido
Knörzer (Guido Knörzer: Töten und Fressen? Kösel-Verlag, 2001, S. 32). Wann
gab es jemals ein offizielles kirchliches Wort gegen Massentierhaltung und
Tiertransporte? Wann haben sich die großen Kirchen jemals gegen Tierversuche
ausgesprochen? Die Kirche ist seit Jahrhunderten gegen die Tiere und dies,
obwohl Jesus und die ersten Christen Vegetarier waren. Dies wusste übrigens
auch noch Kirchenvater Hieronymus, welcher bekanntlich die Bibel
zusammenstellte: »Der Genuss des Tierfleisches war bis zur Sintflut
unbekannt... Jesus Christus, welcher erschien, als die Zeit erfüllt war,
hat das Ende wieder mit dem Anfang verknüpft, so dass es uns jetzt nicht
mehr erlaubt ist, Tierfleisch zu essen.«
(Adversus Jovianianum I, 30)
Prof. Dr. theol. Dr. h.c. Erich Grässer, em.
Ordinarius für Neues Testament an der Universiät Bonn: »Was ist mit Kirche
und Tierschutz? Ich muss an dieser Stelle deutlich werden: Wenn einst die
Geschichte unserer Kirche geschrieben wird, dann wird das Thema "Kirche und
Tierschutz" im 20. Jahrhundert dann ein ebenso schwarzes Kapitel darstellen
wie das Thema "Kirche und Hexenverbrennung" im Mittelalter.«
Die evangelische Theologin Christa Blanke,
ehemals aktiv bei AKUT, zum Thema Hubertusmessen (in: DER SPIEGEL 44/2001):
»Die Geschichte einer Umkehr wird von beiden Konfessionen verfälscht und
missbraucht«, beklagt Christa Blanke, langjährige Pfarrerin in Glauberg
bei Offenbach. Hubertus sei eher zum Patron des Wildes als der Jäger
berufen. Obwohl tief als Protestantin verwurzelt, ist die 53jährige
Theologin - ein bisher einmaliger Fall - im vergangenen Jahr aus der Kirche
ausgetreten: »Die segnet diejenigen, die Tiere töten. Diejenigen, hingegen,
die Tiere schützen, werden beargwöhnt.«
Kein Wunder, dass immer mehr Tierschützer (und nicht
nur diese) aus der Kirche austreten. |
REPORTER:
Zunächst danke ich Ihnen, dass Sie in die Rolle des heiligen Hubertus
schlüpfen.Hubertus
Das mache ich gern, denn ich bin leidenschaftlicher Jäger, so dass es mir
nicht schwer fällt, mich in die Gedankenwelt des heiligen Hubertus hinein zu
versetzen.
REPORTER:
Es ist schwer, aus dem Kranz der vielen Legenden, den Ursprung
herauszufinden. Sicher ist, daß Sie um 655 geboren wurden, ungemein klug
waren und 727 als Bischof von Lüttich im heutigen Belgien starben. Sie
können sicher noch einiges hinzufügen.
Hubertus
Ja, es war bei mir wie oft bei Menschen, die von Gott in besonderer Weise an
die Hand genommen werden: Mein Eheglück war nur kurz, weil meine Frau bei
der Geburt unseres ersten Kindes starb. Um über diesen Kummer
hinwegzukommen, stürzte ich mich in alle möglichen Vergnügen; dazu gehörte
auch meine Lieblingsbeschäftigung, die Jagd. Wer den Sinn des Lebens
gefunden hat, braucht das alles nicht in dieser extremen Art, mit der ich
übertrieb.
REPORTER:
Ja, das ist bekannt: Hinter einem doce vita, das betäuben kann, bleibt ein
Leerraum, eine Sehnsucht, dass es „noch mehr als das alles“ geben muss. Die
Wende bei Ihnen bewirkte das Kreuz im Geweih eines kapitalen Hirsches, den
Sie erlegen wollten – wie es die Fahne (die Darstellung) sehr schön zeigt?
Hubertus
Zunächst überraschte mich, das der Hirsch ruhig stehen blieb. Dann sah ich
das leuchtende Kreuz und lag schon auf den Knien. Ich spürte, Gott wollte
mir signalisieren: Der Herr über Natur und Kreatur, der Herr der Welt, ist
auch mein Herr. Er wollte mich ganz. Ich kam an diesem Kreuz nicht vorbei –
wie schon so viele vor mir.
REPORTER:
Sie zogen die Konsequenzen?
Hubertus
Ja, ich verließ den Hof, auf dem ich als Pfalzgraf lebte.
REPORTER:
Sie waren der älteste Sohn des Herzoges Betrand von Toulouse, und sicher
warteten viele Verpflichtungen auf Sie?
Hubertus
Ich legte alle Ämter ab, verschenkte mein Vermögen an die Armen und zog mich
in die Einsamkeit der damals riesigen Wälder der Ardennen zurück. Ich
brauchte einen klaren Kopf.
REPORTER:
Sie kamen am Kreuz nicht vorbei.
Hubertus
Genau. Dann ging ich zum Bischof Lambert von Maastricht, der mich
schließlich zum Priester weihte. Als er starb, wollten die Leute mich zum
Bischof.
REPORTER:
Damals wählten die Leute noch ihren Bischof – wie auch der hl. Martin?
Hubertus
Ja. Ich habe mich genauso wie er gewehrt, dieses schwere Amt anzunehmen.
Aber dann fügte ich mich den Wunsch der Leute bzw. dem Willen Gottes, den
ich dahinter spürte. Wieder kam ich am Kreuz nicht vorbei.
REPORTER:
Sie haben oft und lange über das Kreuz nachgedacht.
Hubertus
(zeigt das Kreuz aus zwei Hölzern, deren Enden wie ein Wegweiser zugespitzt
sind.) Wissen Sie, es ist ein Wegweiser! Der Längsbalken nach oben will
sagen: Suche den Schöpfer, der über aller Kreatur, auch über den Menschen,
steht. Und der horizontale Balken sagt: Bewahre diese Schöpfung! Wer einen
Menschen ins Gesicht schlägt, trifft eigentlich den Schöpfer selbst. Wer ein
Tier quält oder ausbeutet, beleidigt den, der es sich entwickeln ließ. Und
wer eine Pflanze oder einen Strauch oder Baum ohne Grund vernichtet,
zerstört das Kleid der Herrlichkeit Gottes (stellt das Kreuz vor den Altar).
REPORTER:
Mir ist klar: Wer nichts Heiliges mehr über sich anerkennt, der zertritt
auch gewissenlos Heiliges unter sich.
Hubertus
Dann zog ich unter Mühen von Dorf zu Dorf in meinem früheren Jagdgebiet, die
Südbrabant und die Ardennen, um die Menschen für Christus zu begeistern und
sie von den heidnischen Bräuchen und ihrem Aberglauben zu bekehren.
REPORTER:
Sie verlegten ihren Bischofssitz von Maastricht zum heutigen Lüttich?
Hubertus
Ja, weil die Normannen und Friesen zu nahe und zu gefährlich waren.
REPORTER:
Ihr Tod kam für alle Menschen damals viel zu früh, obwohl Sie 72 Jahre alt
wurden. Die Trauer war groß. Sie wurden zum Patron der Jäger, der Forstleute
und vieler Schützenbruderschaften gewählt.
Hubertus
Da gibt es noch etwas Originelles zu erzählen: Meine Gebeine wurden in das
Kloster St. Hubertus in den Ardennen überführt. Und an meinem Festtag, den
3. November, wenn überall die Jagd eröffnet wird, dürfen dort die Jäger mit
ihren Pferden und Hunden in die Kirche reiten.
REPORTER:
Wenn Sie Ihr Leben noch einmal Revue passieren lassen, was würden Sie uns
als wichtigste Erkenntnis hinterlassen?
Hubertus
Am Kreuz kommst du nicht vorbei – wenn du in deinem Leben den Blick dafür
hast. |