Afternoon, afternoon, AFTERNOON!

Unser Florian Drüke engagiert sich als Missionar auf Zeit seit mehreren Monaten in Kenia. Hier sein erster Rundbrief:

Ich komme gerade aus der Stadt und habe mal wieder eine dieser interessanten Begegnungen, die ich hier fast täglich erlebe. Ich laufe also aus der Stadt nach Hause, weil ich mir die 20 Cent für ein Motorradtaxi sparen will. Dabei höre ich ein bisschen Musik, denn langsam wird auch dieser Weg langweilig und es gibt hier kaum noch etwas Neues zu entdecken. Auf einmal sehe ich auf der anderen Straßenseite jemanden wild winken. Eigentlich nichts Besonderes, aber es kommt mir so vor, als würde die Person mir zuwinken. Auch das ist nichts Besonderes, denn ich kenne den Einen oder Anderen aus dieser Gegend. Jedenfalls rennt der Mann jetzt über die Straße direkt auf mich zu. Ich nehme meine Kopfhörer aus den Ohren und bin gespannt, was er will. Als er ankommt, höre ich ihn nur schreien: ,, Afternoon, afternoon, afternoon.“ Ich schaue genau hin, doch dieser Mann kommt mir gar nicht bekannt vor. Also murmle ich: ,, Good afternoon.“, was ihm anscheinend genügt, denn er dreht sich um und geht wieder auf die andere Straßenseite.

Nach drei Monaten in Kenia scheint mir eines klar zu werden: Als mzungu (kis. Weißer) falle ich einfach auf und werde in den Augen der Einheimischen wohl niemals ein „normaler“ Mensch sein. Es gibt natürlich Ausnahmen, die oft mit dem Bildungsstand der Personen zusammenhängen, doch die meisten Leute werden mich immer als etwas Anderes wahrnehmen. Die Reaktionen der Menschen, denen ich begegne, könnten allerdings nicht unterschiedlicher sein.

Manchmal, vor allem, wenn ich zu den ärmeren Leuten in ihre kleinen Hütten komme, die oft aus einem Raum bestehen, aber in denen mehr als 5 Personen leben, bin ich der Glücksbringer, der den Menschen die Ehre erweist, zu ihnen nach Hause zu kommen. Sie fühlen sich gesegnet und bereiten mir das beste Mahl. Dabei weiß ich, dass sie sich das gar nicht leisten können und wahrscheinlich in der nächsten Woche nur die Hälfte essen, obwohl die Nahrung sonst schon nicht ausreicht. Oft finde ich das traurig, denn vor allem die Kinder leiden darunter und in gewisser Weise bin ich daran auch noch schuld, denn ich habe die Einladung angenommen. Für die Familie hingegen ist es das absolute Highlight der Woche und sie nehmen die Nachteile gerne in Kauf.

Wenn ich Menschen auf der Straße begegne, reagieren sie häufig neugierig, wollen mich einfach nur grüßen oder mir etwas verkaufen. Viele reagieren aber auch misstrauisch bis feindlich. Gerade wenn es dunkel wird, finde ich es immer sehr unangenehm durch die Stadt zu laufen, denn einige Kenianer schreien mir dann ein abwertendes,,mzungu“ hinterher oder fangen an, an mir herumzuzerren. Wenn man dann noch Geld oder Wertgegenstände dabei hat, ist das keine schöne Erfahrung.

Am schönsten ist es immer den Kindern zu begegnen, obwohl das auf Dauer auch nervig werden kann. Die meisten Kinder reagieren immer total fasziniert. Sie fangen dann oft einfach an zu quasseln, auch wenn ich kaum ein Wort verstehe oder sind ganz leise und streicheln meine helle Haut. Es ist manchmal schwierig sie loszuwerden, aber damit kann ich leben. Einmal bin ich allerdings einem Mädchen begegnet, das große Angst vor mir hatte und mir nicht die Hand schütteln wollte. Naja, mein Papa erzählt mir immer, wie ich reagiert habe, als ich den ersten Afrikaner gesehen habe. Wenn ich daran denke, kann ich es ihr nicht verübeln.

Momentan sitze ich hier in meinem Zimmer mit einem hässlichen Ausblick auf einen verrosteten Wassertank. Der Ausblick ist aber auch so ziemlich der einzige Makel an meiner Unterkunft. Ich habe wirklich Glück gehabt. Mein zweites „Zuhause“ befindet sich auf einem riesigen Schulgelände am Rande der Stadt Eldoret. Eldoret liegt im Westen Kenias nahe des Rift Valley in ca. 2100 m Höhe. Aus dieser Gegend kommen die meisten kenianischen Läufer, die dieses Jahr so viele Goldmedaillen bei der Leichtathletikweltmeisterschaft gewonnen haben. Auf dem Gelände sind zwei große Sportplätze mit zwei Fußballfeldern, zwei Volleyballfeldern, zwei Basketballfeldern und einem Tennisplatz und der Gebäudekomplex der Schule. Ich kann nicht genau sagen wie viele Gebäude es sind, aber das spielt ja jetzt auch keine große Rolle. Außerdem haben wir noch eine Kirche, eine kleine Siedlung in der einige Lehrer und Angestellte wohnen, sowie das „Fathers House“.

Da wohne ich: in einem relativ großen, einstöckigen Haus mit ca. 8 Zimmern, mehreren Bädern und einer Küche. Ich lebe hier mit 4 Priestern. Das hört sich immer etwas komisch an. Ist es auch.

Die Umstellung vom Leben in einer Familie zu einem Leben mit 4 Priestern ist schon extrem. Damit möchte ich nicht sagen, dass es mir nicht gut gefällt. Es ist einfach nur total anders. Ich komme mit allen Priestern gut klar. Mit dem Einen besser, mit dem Anderen schlechter, aber das ist, denke ich, normal. Was einfach fehlt, ist eine familiäre Atmosphäre. Das äußert sich in ganz einfachen Situationen. Zum Beispiel esse ich fast immer alleine und selbst wenn ich mal nicht alleine bin, sitzen wir nicht gemeinsam am Tisch, sondern suchen uns einfach einen Platz im Wohnzimmer und schauen Nachrichten. Ein anderes Beispiel ist vielleicht noch deutlicher. Einer der Priester ist momentan für einen Monat im Urlaub in Südkorea. Er hatte mir davon nichts erzählt und mir ist es auch erst nach einer Woche aufgefallen.

Jeder hat hier einfach sein eigenes Leben und für mich bedeutet das, dass ich viel freier bin und nach einem anstrengenden Tag in der Schule kommt mir das immer sehr entgegen.

Ich unterrichte hier in der Schule das Fach Deutsch in den Klassen 11 (Form 3) und 12 (Form 4), wenn man es auf das deutsche Schulsystem überträgt. Mir macht der Unterricht immer viel Spaß, gerade wenn ich merke, dass ich gut vorbereitet bin und die 10 Schüler der Form 4 bzw. die 17 Schüler der Form 3 gut mitarbeiten. Für viele hört es sich wahrscheinlich etwas abwegig an, dass ich hier in Kenia Deutsch unterrichte. Ich war am Anfang auch etwas skeptisch und habe mich gefragt, wie das Niveau wohl sein wird. Jetzt -nach drei Monaten- bin ich immer noch erstaunt über das Können der Schüler, denn nach 4 Jahren Deutschunterricht kann der Großteil wirklich gut sprechen. Mit einigen kann ich mich sogar ganz normal/gut unterhalten, was mit Sicherheit der Verdienst meiner Vorgänger ist. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass die Schüler hier auf den Internaten ein wirklich hartes Leben haben, denn es besteht zu 90% aus Lernen. Folglich ist es in meinen Augen logisch, dass sie viel lernen.

Für mich bedeutet dieses Projekt nicht nur persönlicher Spaß und wachsende Eigenständigkeit, sondern besonders auch Verantwortung für meine Schüler. Einmal, weil ich als Lehrer in den letzten beiden Jahren ihrer Schullaufbahn mitverantwortlich für das weitere Leben meiner Schüler bin, denn das Abschlusszeugnis ist hier noch viel wichtiger als in Deutschland. Aber auch, weil die 10 Deutschschüler alle im nächsten Jahr ein freiwilliges soziales Jahr in Deutschland machen möchten und ich vor Ort der Ansprechpartner und Organisator sein werde, der sich um Termine bei der deutschen Botschaft und beim Goethe-Institut kümmern muss, sowie dafür sorgen muss, dass alle einen vernünftigen Lebenslauf und Motivationsbrief schreiben, den ich dann nach Deutschland schicken kann.

Nun möchte ich mich noch bei euch allen für die tolle Unterstützung bedanken. Sei es finanziell oder ideell. Ich freue mich immer sehr, wenn ich eine E-Mail aus der Heimat bekomme und auch jetzt nach diesem ersten Rundbrief kann ich es kaum erwarten, ein paar Rückmeldungen zu bekommen. Schreibt mir-besonders auch dann-, wenn ihr Fragen habt. Ich werde gerne mehr erzählen und garantiert zurückschreiben.

Als letztes habe ich noch eine Bitte an euch. Es geht um Projektvorschläge für das freie soziale Jahr meiner Schüler. Falls jemand irgendeine Idee oder sogar Kontakte zu einer sozialen Institution hat, in der die Schüler ggf. für ein Jahr arbeiten/helfen können, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn ihr mir das mitteilt.

Also, dann: See you, when you see me! (Das sagt mein Tae Kwando Lehrer immer, nur beim Skypen nach Hause ist es leider nicht immer der Fall 😉 )

Kwa heri!

Florian

P.S.: Ich freue mich weiterhin über Unterstützung jeglicher Art.

 

Spenden an:

Kontoinhaber: Pallottinischer Freiwilligendienst
Bankinstitut: KD-Bank
Kontonummer: 101 425 30 13
Bankleitzahl: 350 601 90
Verwendungszweck: MaZ- Dienst

 

 

3 Kommentare

  • Josef Lüke und Du sind für mich die ersten Kandidaten wenn es um die Menschen 2011 geht.

    Geh deinen Weg in diesem Land.

    Es grüsst die Heimat

    Torsten VOGT

  • Sehr interessant! Auch wenn ich Kenia und seine besonders bescheidenen Verhältnisse, als Land für ein freiwilliges Jahr, noch immer nicht recht nachvollziehen kann,
    verdient deine Aktion großen Respekt!
    Bleib gesund und zufrieden!!!!!!!!!!!!!

  • Du kannst sehr stolz auf dich sein! Ich denke die Erfahrungen, die du weiterhin sammeln wirst und die, die du bisher gesammelt hast, bringen dich nur weiter im Leben! Nicht nur das du vielleicht dein eigenes Leben in Deutschland sicherlich noch mehr zu schätzen weisst, sondern auch die Tatsache, dass du eine tolle Unterstützung für die Schüler vor Ort bist! Ich bewunder deinen Ehrgeiz, deinen Mut und dein Durchhaltevermögen!!! Mach weiter so und lass dich nicht unterkriegen 🙂 Viele Grüße aus Alfen und weiterhin gutes Gelingen wünsche ich dir!!!!!!!!!!!

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